Kriterien der Wissenschaftlichkeit: Was bedeutet wissenschaftlich?

In diesem letzten Teil lernst du Nachvollziehbarkeit, Fairness und Verantwortung als Kriterien der Wissenschaftlichkeit kennen.

Die Welt der Wissenschaft ist nicht perfekt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler handeln weder immer fair noch immer verantwortlich. Trotzdem und gerade deshalb sind Fairness und Verantwortung als wissenschaftsethische Qualitätskriterien zu betonen.

Das Kriterium der Nachvollziehbarkeit wiederum gehört zu den wichtigsten Bewertungskriterien deiner Abschlussarbeit überhaupt.

10. Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Nachvollziehbarkeit

Nachvollziehbarkeit
10. Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Nachvollziehbarkeit

Kommunikation ist essenzieller Bestandteil der Wissenschaft. Zumindest innerhalb des Fachgebiets und möglichst gegenüber der interessierten Öffentlichkeit sollten Forschungsergebnisse klar und prägnant kommuniziert werden.

Deine Leserinnen und Leser müssen nachvollziehen können, wie du vorgehst, welche Fakten du einbeziehst und zu welchen Schlussfolgerungen du gelangst.

Herausforderung Nachvollziehbarkeit

Die Einhaltung der Nachvollziehbarkeit kann aus mehreren Gründen schwierig sein.

In vielen Bachelor- und Masterarbeiten scheitert sie daran, dass Gedankengänge nicht ausformuliert werden.

Das kann daran liegen, dass man es nicht gewohnt ist, Gedankengänge zu verschriftlichen und verschriftlichte Gedanken kohärent zu verbinden.

Das kann aber auch daran liegen, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, d. h. zu tief im Thema steckt, um sich zurückzunehmen und kritisch zu überprüfen, was man geschrieben hat.

Die Nachvollziehbarkeit des Quellenbezugs ist eine weitere Herausforderung. Es kommt eben nicht nur darauf an, dass man zitiert, sondern auch was und wie man zitiert.

Zum einen solltest du richtig paraphrasieren, d. h. bei indirekten Zitaten nicht einfach nur ein paar Wörter der zitierten Stelle austauschen, sondern den zitierten Sachverhalt in deinen eigenen Worten formulieren und in den Text einbinden.

Zum anderen muss an jeder Stelle deutlich sein, was zitiert ist und was von dir selbst stammt. Die verwendeten Quellen sollten leicht einsehbar und nachzuvollziehen sein.

Wie du für Nachvollziehbarkeit sorgst

Bei der Nachvollziehbarkeit zeigt sich besonders gut, dass die einzelnen Kriterien der Wissenschaftlichkeit zusammengedacht werden müssen. Balzert, Schröder und Schäfer (2017) zufolge resultiert Nachvollziehbarkeit quasi automatisch aus der Einhaltung der grundlegenden Kriterien der Wissenschaftlichkeit, darunter Objektivität, Überprüfbarkeit, Reliabilität, Validität, Verständlichkeit, Relevanz und Argumentationslogik.

Generell stellst du Nachvollziehbarkeit her, indem du den Leser oder die Leserin mitnimmst.

Das gelingt dir dadurch, dass du deine Ziele, dein Vorgehen und deine Methoden, deine Hypothesen, Prämissen und Ergebnisse Schritt für Schritt darlegst und alle zentralen Gedankengänge ausformulierst.

Ausformulieren ist viel mehr als bloßes Benennen oder Andeuten. Gute wissenschaftliche Texte erläutern, führen aus, veranschaulichen und zeigen auf.

Stell dir deine Abschlussarbeit wie einen spitzen Pfeil vor: Vom ersten Satz der Einleitung bis zum letzten Satz des Fazits bearbeitest du zielgerichtet die aufgeworfene Fragestellung und die unmittelbar daraus abgeleitete Aufgabenstellung.

Nachvollziehbarkeit betrifft insofern bereits die Gliederung und den Kapitelaufbau. Dabei betrachtest du deine Abschlussarbeit aus der Vogelperspektive heraus, damit du sie strategisch angehen und stromlinienförmig gestalten kannst.

Insbesondere bei längeren Abschlussarbeiten helfen Einführungen am Kapitelanfang und Zusammenfassungen am Kapitelende dabei, den Text nachvollziehbar zu gestalten (Stichwort: roter Faden). Wie diese Elemente zu strukturieren sind, können wir uns am konkreten Fall im Coaching anschauen.

Worauf ich hier dennoch hinweisen möchte: Nicht immer ist eine Überleitung zum nächsten Abschnitt angebracht. Besonders in den Unterkapiteln und Abschnitten der Analyse oder der Diskussion wird i. d. R. jeweils ein einzelnes Unterthema abgehandelt, das dort fertig ist und keinen direkten Bezug zum nächsten Unterthema hat.

Hier wäre es ein handwerklicher Fehler, krampfhaft eine Überleitung einzubauen. Stattdessen empfehle ich, am Kapitelende ein kurzes Zwischenfazit einzufügen. Darin kannst du dann die Kapitelinhalte einordnen und (sofern angebracht) zum nächsten Kapitel überleiten.

Deine Checkliste zur Einhaltung der Nachvollziehbarkeit

  • Der logische Aufbau geht aus der Gliederung hervor.
  • Das methodische Vorgehen richtet sich nach der Aufgabenstellung und schlägt sich im Aufbau der Kapitel nieder.
  • Ziele, Vorgehen und Methoden, Hypothesen, Prämissen und Ergebnisse sind einfach und klar beschrieben.
  • Die Gedankengänge sind ausformuliert.
  • Alle Inhalte sind nachvollziehbar belegt und beschrieben.
  • Die Sprache ist einfach verständlich.
  • Der Quellenbezug ist an jeder Stelle eindeutig.
  • An jeder Stelle weiß der Leser oder die Leserin, worum es gerade geht, wozu das an dieser Stelle steht und was als Nächstes kommt.
  • Grundlegende Kriterien wie Objektivität, Überprüfbarkeit, Reliabilität, Validität, Verständlichkeit, Relevanz und Argumentationslogik werden eingehalten.

11. Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Fairness

Fairness
11. Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Fairness

Menschen verhalten sich nicht immer fair. Denn Respekt, Ehrlichkeit und Kollegialität sowie Redlichkeit und Ehrlichkeit sind Charaktersache und situationsabhängig.

Dennoch ist Fairness ein wichtiges Kriterium der Wissenschaftlichkeit, weil Arbeiten in der wissenschaftlichen Community auf Kooperation und Kommunikation beruht.

Herausforderung Fairness

Einen akademischen Abschluss zu erwerben gleicht in vielerlei Hinsicht einer Mischung aus Leistungssport und psychologischer Kriegsführung.

Fair Play im Psychokrieg?

Genau das!

Wie Balzert, Schröder und Schäfer (2017) schreiben, erfordert es Charakter und Selbstkontrolle, angesichts von Konkurrenz und Zeitdruck fair zu bleiben.

Wie du fair bleibst

Fairness betrifft sowohl deine Kommunikation als auch dein Verhalten.

Fair sind eine ehrliche Kommunikation und das kollegiale Teilen von Materialien und Daten.

Fair verhältst du dich, indem du die Leistung anderer Menschen durch korrektes Zitieren und durch Erwähnung ihres Beitrags zu deiner Arbeit würdigst.

Darüber hinaus bist du fair, wenn du auf Chancengleichheit und Unparteilichkeit achtest und darauf hinwirkst, sofern dies in deiner Macht steht.

Eine persönliche Note zum Thema Fairness in der Wissenschaft

Fairness folgt zwangsläufig aus der Notwendigkeit zur Kooperation und Kommunikation.

Meiner Meinung nach hat jeder geistig gesunde Mensch einen angeborenen Sinn für Kooperation und Fairness. Schaue dir Frans de Waals TED Talk an, um diese Einsicht besser nachvollziehen zu können.

Kein Mensch wird gern unfair behandelt. Doch über unser eigenes unfaires Verhalten sind wir uns viel zu selten bewusst.

Ich vermute, dass du intuitiv spürst, wenn du dich unfair verhältst. Unfaires Handeln ist unwissenschaftlich.

Menschwerdung und Persönlichkeitsbildung erfordern Reflexion, die uns in die Lage versetzt, die Auswirkungen unseres Verhaltens zu sehen und unfaires Verhalten zu unterlassen.

Denk einfach darüber nach, um dieses Kriterium der Wissenschaftlichkeit unter Einhaltung deiner berechtigten Interessen einzuhalten.

12. Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Verantwortung

Verantwortung
12. Kriterium der Wissenschaftlichkeit: Verantwortung

Die vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Forschung geht mit der Verantwortung einher, gesetzliche Vorgaben und wissenschaftsethische Prinzipien einzuhalten.

Als Autor oder Autorin trägst du die volle Verantwortung für deine wissenschaftliche Arbeit.

Doch die Ethik der Wissenschaft umfasst mehr als deine Selbstverantwortung. Deine Verantwortung gegenüber dem Arbeitsteam und der Wissenschaft sowie der Gesellschaft solltest du ebenfalls ernst nehmen.

Diese Verantwortungsdimensionen betreffen bewusst oder unbewusst verursachte Schäden:

Wenn du beispielsweise Daten zurückhälst oder verfälschst, schadest du anderen Wissenschaftlern. Gleiches gilt generell für Schludrigkeit und Nachlässigkeit beim wissenschaftlichen Arbeiten, auch wenn die Folgeschäden nicht beabsichtigt sind. Insofern obliegt die Entwicklung eines Problembewusstseins über die Folgen deiner Forschung deiner Verantwortung.

Lässt du ghostwriten, schadest du unmittelbar der Wissenschaft als System und in der Folge dem gesellschaftlichen Fortschritt, der wesentlich von der Wissenschaft vorangetrieben wird.

Deiner sozialen Verantwortung gegenüber der wissenschaftlichen Community kommst du hingegen nach, indem du sorgfältig und gewissenhaft arbeitest und deine Ergebnisse präzise, vollständig, überprüfbar sowie nachvollziehbar darlegst und somit für andere Menschen nutzbar machst.

Werden die Risiken der Forschung und deren Folgerisiken nicht bedacht, können daraus immense Schäden für Einzelpersonen und für die Gesellschaft hervorgehen.

Dies gilt für alle Wissenschaftsbereiche, seien es die Lebenswissenschaften, Informatik, Materialforschung, Verhaltens- und Sozialwissenschaften oder Linguistik.

Die folgenden beiden Beispiele in Anlehnung an DFG und Leopoldina (2014) verdeutlichen, dass die Folgenabschätzung und verantwortliches Handeln genauso in den »weichen Wissenschaften« notwendig sind.

  • Linguistische Forschungsergebnisse können zur Kommunikationsüberwachung mittels Spracherkennungssoftware eingesetzt werden. Damit werden nicht nur Persönlichkeitsrechte verletzt, sondern gesellschaftliche Entwicklungen massiv beeinträchtigt.
  • Verwerflich handelnde Psychologinnen und Psychologen helfen den Geheimdiensten, ihre Foltermethoden zu optimieren oder die Bevölkerung zu manipulieren. Ein bekanntes Beispiel, das du selbst nachrecherchieren kannst, bietet die JTRIG-Einheit der GCHQ.

Wissenschaft kann eine mächtige und äußerst zerstörerische Waffe sein. Daher sollte jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler die Risiken der Forschung analysieren, abwägen und minimieren. Falls die Risiken hoch und wahrscheinlich sind, sollte man im Einzelfall auf die Forschung oder auf die Publikation verzichten.

Fazit

In dieser fünfteiligen Artikelserie haben wir 12 Qualitätskriterien beleuchtet, die hier nochmal zusammengefasst sind:

Kriterien der Wissenschaftlichkeit nach Balzert, Schröder und Schäfer

Nun kennst du alle allgemeinen Kriterien der Wissenschaftlichkeit, durch deren Einhaltung du die Wissenschaftlichkeit deiner Abschlussarbeit sicherstellst. Immer wieder wurde deutlich, dass diese Qualitätskriterien zusammengedacht werden müssen. Gemeinsam bilden sie das Herz der Wissenschaft.

Die Grundlage und der Hintergrund, um die spezifischen Bewertungskriterien zu verstehen und zu beherzigen, sind nun geschaffen. Auf Wunsch unterstütze ich dich gern persönlich dabei, eigenständig eine qualitativ hochwertige Abschlussarbeit auf die Beine zu stellen.


Danksagung

Ich danke meiner lieben Kollegin Lisa Schulz. Im Rahmen des gemeinsamen Projekts Lektoren.blog ist dieser Beitrag erstmals als Artikelserie erschienen. Lisa hat nicht nur das Bildmaterial beigesteuert und den Text aufgelockert, sondern in der Zusammenarbeit auch zu meinem Wachstum beigetragen. Gemeinsam einen Blog zum wissenschaftlichen Schreiben gestartet zu haben, war eine unvergessliche Erfahrung.

Quellen

Titelbild © jdn2001cn0 via Pixabay

Bilder Statements © Andisheh A via Unsplash

Balzert, Helmut / Schröder, Marion / Schäfer, Christian (2017): Wissenschaftliches Arbeiten – Ethik, Inhalt & Form wiss. Arbeiten, Handwerkszeug, Quellen, Projektmanagement, Präsentation. 2. erw. und aktual. Aufl. W3L GmbH.

Dobelli, Rolf (2014): Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen. 39. Aufl. Carl Hanser Verlag.

Kahneman, Daniel (2016): Schnelles Denken, Langsames Denken. 2. Aufl. Siedler Verlag.

Inghard, Langer / Schulz von Thun, Friedemann / Tausch, Reinhard (2015): Sich verständlich ausdrücken. 10. Aufl. Reinhardt Verlag.

DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft / Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e. V. (2014): Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung. Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung.

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